BARLACH
IN KIEL

Ernst Barlachs Kampf für das Geistige.

24. Oktober bis 23. November 2008


Ausstellungen, Dokumentation, Vorträge, Texte und Filme.
Ein ökumenisches Projekt zum 70. Todestag des Künstlers.

Selbstbildnis, Kohle, 1928


Geistkämpfer, Bronze, 1928

PROJEKT


Der 70. Todestag Ernst Barlachs ist uns Anlass, zu einer ökumenischen Ausstellung mit seinen Werken einzuladen.


Mit dem Projekt „Barlach in Kiel“ möchten wir den Bildhauer, Grafiker und Schriftsteller Ernst Barlach in besonderer Weise ehren und hervorheben, dass der Künstler mit einem seiner bedeutendsten Werke - dem „Geistkämpfer“ - an der Nikolai- Kirche am Alten Markt immer öffentlich präsent ist. Weitere Werke Ernst Barlachs befinden sich in der Ehrenhalle des Kieler Rathauses und auch die Kunsthalle zu Kiel ist im Besitz einer umfangreichen Sammlung seiner Bildwerke.


Ähnlich wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist auch der Mensch unserer Tage an einer durch Wissenschaft und Konsum nicht zu befriedigenden Sinngebung interessiert. Daher scheint uns die Hoffnung begründet, mit dem ökumenischen Projekt „Barlach in Kiel“ die Aufnahmebereitschaft breiter Publikumskreise zu erreichen.


Viele Menschen haben die Skulpturen Ernst Barlachs zum Anlass genommen, über ihr eigenes Leben neu nachzudenken. So wundert es nicht, dass seine Werke in besonderer Weise zu Besinnung und Reflexion einladen, denn für Barlach hat Kunst den alleinigen Auftrag, das Unsichtbare zu gestalten und zum Erscheinen zu bringen. Und so wird auch das ökumenische Projekt „Barlach in Kiel“ den Sinn für das Geheimnis des Lebens neu öffnen und schärfen.


Das künstlerische und literarische Erbe Ernst Barlachs lässt sich in einem doppelten Sinne als ganzheitlich bezeichnen, denn die umfassende Vielseitigkeit seines ästhetischen Konzeptes zeigt den Versuch, den Menschen weder in abstrakter Gegenstandslosigkeit noch in platter Abbildlichkeit, sondern in der ganzen Einheit seines Seins darstellen zu wollen. Und damit ist nicht nur seine physische, sondern vor allem auch seine spirituelle, seine religiöse Existenz gemeint.


Soll ein Werk von diesem Zuschnitt die Chance zur Gegenwartswirksamkeit behalten, bedarf es der Vermittlungsarbeit. Barlach hat das grosse Glück, dass sich in seinem Namen nicht nur eine international tätige Gesellschaft und eine Stiftung formiert haben, sondern auch die christlichen Kirchen beider Konfessionen in immer neuen Anläufen den Versuch unternehmen, dieser Aufgabe gerecht zu werden.


Wir danken allen Beteiligten und laden herzlich dazu ein, sich von Barlachs Werk beeindrucken zu lassen.


Für die Offene Kirche St. Nikolai zu Kiel und den Kieler Kloster Verein

Klaus Blaschke

Für die Katholische Kirche Kiel und das Forum Kirche und Gesellschaft

Leo Sunderdiek

Für die Ernst Barlach Gesellschaft Hamburg

Jürgen Doppelstein


Spaziergänger, Stukko, 1912







Frierendes Mädchen, Bronze, 1916

ERNST BARLACHS KAMPF FÜR DAS GEISTIGE


Der Bildhauer, Zeichner, Grafiker und Dichter Ernst Barlach studierte von 1888 bis 1891 an der Hamburger Kunstgewerbeschule, danach bis 1895 an der Dresdner Akademie und hielt sich 1895 und 1897 zu Studien in Paris auf; obwohl zunächst dem Jugendstil anhängend, fand er auf einer Reise nach Rußland (1906) das, was er gesucht hatte: Ursprünglichkeit und eine alle Lebensbereiche umfassende plastische Sprache. Ab 1910 lebte Barlach in Güstrow, wurde 1913 Mitglied der Berliner Sezession und 1919 ordentliches Mitglied der Preußischen Akademie der Künste. In den 20er Jahren setzte er sich intensiv mit Fragen der Kriegerdenkmäler auseinander. Er verstand sie als Denkzeichen für einen neuen Menschen. Barlachs Werk trug maßgeblich zur Neuorientierung in der Skulptur des 20. Jahrhunderts bei. Als Schriftsteller schrieb er Dramen, Romanfragmente, autobiographische Erzählungen, Tagebücher und Kurzprosa von außerordentlicher Intensität. Doch waren seine Werke und Schriften während der Gewaltherrschaft des Dritten Reiches verboten, er wurde mit Ausstellungsverbot belegt und 1938 aus der Preußischen Akademie der Künste gezwungen. Viele seiner Skulpturen und Denkzeichen wurden als „entartete Kunst“ nach 1933 entfernt bzw. zerstört, aber nach 1945 wieder hergestellt. (z.B. Der schwebende Engel im Dom von Güstrow, das „Güstrower Ehrenmal“, „Der Geistkämpfer“ in Kiel und die Figurengruppe im Magdeburger Dom, das „Magdeburger Ehrenmal“).


Bereits 1921/22 hatte Ernst Barlach mit seiner holzgeschnitzten Tafel „Schmerzensmutter“ in St. Nikolai zu Kiel ein Sinnbild für die leidenden Mütter des 1. Weltkrieges geschaffen. Auf der schon durch das Bildermann-Blatt „Dona nobis pacem“ vom 20. Dezember 1916 vorbereitete Motiv sehen wir eine betende, auf Wolken schwebende, mit den gefalteten Händen das Gesicht bedeckende, weibliche Andachtsfigur, die zwar ikonographisch aus dem Zusammenhang der Kreuzigung und Marienbeweinung Christi gelöst wird, dennoch aber von den sieben Schwertern der „mater dolorosa“ eingefasst ist, die im christlichen Andachtsbild die sieben Schmerzen der Maria symbolisieren. (Weissagung des Simeon, Flucht nach Ägypten, Suche nach dem 12-jährigen Jesus, Gefangennahme Christi, Kreuzigung, Kreuzabnahme, Grablegung). Befindet sich Ernst Barlach also mit der „Schmerzensmutter“ noch ganz im christlichen Kontext, so löst er sich mit dem 1927/28 geschaffenen und als Kriegsgefallenen-Ehrenmal missverstandenen „Geistkämpfer“ für die Kieler Universitätskirche völlig aus diesem Zusammenhang. Mit diesem Werk zeigt Barlach, dass er nicht bereit war, sich dem durch die Moderne eingeleiteten Zwang einer alles umfassenden Individualisierung, Rationalisierung und Entzauberung der Welt zu unterwerfen. Der „Geistkämpfer“ sucht das ewig Gleitende zu belauschen und das Unfassbare, das Unsagbare, das Numinose zu formulieren, er will seine Magie aufbewahren und die Erfahrung eines unbekannten, spirituellen Lebens zurückholen in die menschliche Gemeinschaft. Barlach sagt dazu:


„Mich ergreift in besten Stunden die Vorstellung der Entpersönlichung, des Aufgehens im Höheren, ich nenne es das Glück der Selbstüberwindung (...) Ich habe oft behauptet, das größte Glück sei das Übersichhinauskommen, das momentane Eingehen in ein Übergeordnetes.“


In diesem Sinne haben die Mystiker aller Kulturen die Vorstellung von Ich und Ichlosigkeit, „von Allem und vom Einen“ (Rumi) thematisiert und damit eine kaum abzuschätzende Wirkung ausgeübt. Zugleich haben sie eine geistige Wirklichkeit, die sie als Rückbindung an einen unhinterfragbar göttlichen Grund verstanden haben, in Worten, Zeichen, Bildern, Gleichnissen und Symbolen zu beschreiben versucht.


Auch Ernst Barlach hat seine Aufgabe als Bildhauer, Zeichner, Grafiker und Schriftsteller in genau diesem Kontext verstanden und die von ihm gestalteten Menschentypen mal als gefühlsbetonte, mal als sinnlich-rauschhafte, mal als kontemplative oder als sinnende, immer jedoch als geistige Wesen dargestellt.


Das, was diese Figuren vereint, ist die Verpflichtung gegenüber einer höheren Wahrheit, die den Menschen aus der rationalen, der wissenschaftlichen Raum- und Zeitebene heraushebt und auf ein „Über sich Hinauskommen“, auf einen Weg in die „lchlosigkeit“ verweist. Auf diese Weise ist eine ganz besondere, nur Barlach eigene Typologie der Darstellung geistigen Erlebens entstanden, der wir in diesem Projekt nachgehen.


Jürgen Doppelstein


AUSSTELLUNGS- und DENKORTE


1) Kieler Kloster

Falckstraße 9, 24103 Kiel
täglich 10 – 18 Uhr
Plastiken:
Schwebender Gottvater, Steinzeug 1922;
Der Wanderer im Wind, Stukko 1934;
Der Spaziergänger, Stukko 1912;
Der Rächer, Gips unter Schellack 1914;
Zwei Schlafende, Bronze 1916/17;
Der Übergang, Bronze 1917;
Die Hexe auf den Scheitern, Bronze 1919;
Der Blinde und der Lahme, Stukko 1919;
Weinende Frau, Bronze 1923;
Das Grauen, Bronze 1923;
Hamburger Ehrenmal, Gips 1931.
Holzschnittzyklen:
„Die Wandlung Gottes, Sieben Holzschnitte 1920/21“;
„Schiller an die Freude, Neun Holzschnitte 1928“.


2) Offene Kirche St. Nikolai zu Kiel

Alter Markt, 24103 Kiel
täglich 10 – 18 Uhr
Dokumentation zum Geistkämpfer und zur Schmerzensmutter;
Monumentalplastik: Der Geistkämpfer, Bronze, 1928;
Der Bettler, Bronze, 1930 (Aus: Die Gemeinschaft der Heiligen, St Katharinen, Lübeck)


3) Rathaus

Fleethörn 9, 24103 Kiel
werktags von 8 – 16 Uhr
Ehrenhalle der Stadt Kiel mit Plastiken und Grafiken von Ernst Barlach.


4) KirchenKai

Rathausstraße 5, 24103 Kiel
täglich 10 – 18 Uhr
Plastiken:
Frierendes Mädchen, Bronze 1916;
Frau im Wind, Bronze 1931;
Der Sänger, Bronze 1931;
Tod im Leben, Bronze 1926.
Grafikzyklus:
„Armer Vetter“ 34 Lithographien von 1919;
Dokumentarfilm: „Verloren-Daheim“


5) Katholische Propsteikirche

St. Nikolaus Kiel
Rathausstraße 5, 24103 Kiel
täglich 10 – 18 Uhr
Kruzifix II, Bronze 1918;
Pietà, Bronze 1932;
Güstrower Ehrenmal, Stukko 1927;
Magdeburger Ehrenmal, Bronze 1928.


Der Rächer, Gips, 1914

FÜHRUNGEN


Der Kunsthistoriker und Journalist Karl Dahmen bietet Führungen zu allen „Denkorten“ an.

26. Oktober um 14 Uhr

3. November um 16 Uhr

Treffpunkt ist der KirchenKai


Eine Führung zu den „Denkorten“ Rathaus, Propsteikirche Nikolaus und KirchenKai bietet der Historiker Ernst Mühlenbrink an.

29. Oktober

5. November

13. November

18. November – jeweils um 16.30 Uhr

Treffpunkt im KirchenKai, Dauer ca. eine Stunde


Führungen zu den „Denkorten“ Offene Kirche St. Nikolai zu Kiel und Kieler Kloster können unter www.st-nikolai-kiel.de vereinbart werden.


Spezielle Führungen für Jugendliche, Konfirmanden und Firmlinge können für den KirchenKai, die Propsteikirche St. Nikolaus und das Rathaus unter 0431/9 44 61 oder Kaplan@sellenschlo.de und für das Kieler Kloster und Offene Kirche St. Nikolai zu Kiel unter www.st-nikolai-kiel.de vereinbart werden.


Eine Rallye für Grundschulkinder kann gegen einen Kostenbeitrag von einem Euro im KirchenKai oder in der Offenen Kirche St. Nikolai zu Kiel erworben werden.


PROGRAMM


Während der Ausstellungsdauer laden wir zu verschiedenen Veranstaltungen ein.

Eröffnung der Ausstellungsreihe

mit Grußworten und einer Einführung durch Dr. Jürgen Doppelstein
anschließend Begegnung im KirchenKai

24. Oktober um 19.30 Uhr

Propsteikirche St. Nikolaus Kiel, KirchenKai


Vortrag

„Ich habe keinen Gott, aber Gott hat mich“ - über die Rolle der Religion im Werk Ernst Barlachs
Prof. Dr. Wolfgang Tarnowski, Hamburg

25. Oktober um 15 Uhr

Gemeindezentrum der Propstei St. Nikolaus Kiel


Vortrag mit Texterkundungen

„Ernst Barlach – Schriftsteller des Nordens“
Dr. Ulrich Bubrowski, Hamburg

25. Oktober um 17 Uhr

Gemeindezentrum der Propstei St. Nikolaus Kiel


Dokumentarfilme

in Zusammenarbeit mit dem Kommunalen Kino Kiel
„Verloren daheim. Ernst Barlach – Künstler in dunkler Zeit“
D 1994 (BR). Vera Batterbusch. ca. 40 Min
„Barlach – Mystiker der Moderne“
D 2006 (Arte/NDR). Bernd Böhm. ca. 43 Min
anschließend Orgelmeditation mit KMD Prof. Rainer-Michael Munz

25. Oktober um 20 Uhr

Offene Kirche St. Nikolai zu Kiel


Ökumenischer Gottesdienst

zur Eröffnung der Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe „Barlach in Kiel – ein ökumenisches Projekt anläßlich des 70. Todestags Ernst Barlachs“

26. Oktober um 19.30 Uhr

Offene Kirche St. Nikolai zu Kiel


Veranstaltung

für KatechetInnen, Pastorale MitarbeiterInnen und ReligionslehrerInnen
„Gott verbirgt sich hinter Allem und in Allem sind schmale Spuren, durch die er scheint und blitzt“
mit Jens Ehebrecht-ZumSande, Gemeindereferent

28. Oktober, 15 – 18 Uhr

Gemeindezentrum der Propstei St. Nikolaus zu Kiel


Vortrag mit Lichtbildern

„Der Geist des Geistkämpfers - der Künstler Ernst Barlach in Kiel“
Jens Rönnau, Journalist und Kulturwissenschaftler, Kiel
anschließend kurze Orgelimprovisation

1. November um 20 Uhr

Offene Kirche St. Nikolai zu Kiel


Film

in Zusammenarbeit mit dem Kommunalen Kino Kiel
„Die Wannseekonferenz / Conspiracy“
USA/GB 2001. Frank Pierson. 95 Min.
Mit Kenneth Branagh, Stanley Tucci, Colin Firth, David Threlfall

8. November um 20 Uhr

Offene Kirche St. Nikolai zu Kiel


Orgelkonzert

KMD Robert Dears spielt anläßlich der Barlach-Ausstellung

9. November um 17.30 Uhr

Propsteikirche St. Nikolaus zu Kiel


Film

in Zusammenarbeit mit dem Kommunalen Kino Kiel
„Sansibar oder der letzte Grund“
BRD/DDR/CH 1987. Bernhard Wicki. 64 Min.
Mit Peter Kremer, Cornelia Schmaus, Gisela Stein, Elisabeth Endriss

15. November um 20 Uhr

Offene Kirche St. Nikolai zu Kiel


Lesung

Norbert Aust und Daniel Karasek lesen Texte von Ernst-Barlach.

17. November um 20 Uhr

Propsteikirche St. Nikolaus Kiel


Nacht der Offenen Kirche

…und er ist nicht fern
Meditationen unter dem Eindruck der ausgestellten Werke Barlachs

21. November 18 – 23 Uhr

Propsteikirche St. Nikolaus Kiel


Orgelkonzert

zum Abschluss der Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe spielt KMD Prof. Rainer-Michael Munz

22. November um 20 Uhr

Offene Kirche St. Nikolai zu Kiel


Hinweise

Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei. Es wird um eine Spende zur Kostendeckung gegebeten.
Nach den Vortrags- und Filmveranstaltungen laden wir zu einer Begegnung bei Brot und Wein ein.
Die Evangelische Bücherstube hat während der Ausstellungsdauer eine große Auswahl von Büchern über Ernst Barlach vorrätig. Am 15. November 2008 gibt es anläßlich der Filmvorführung „Sansibar“ einen Büchertisch in der Offenen Kirche St. Nikolai zu Kiel.


SPONSOREN


Darlehnskasse Münster
HSH Nordbank
Förde Sparkasse
Der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holsteins
Evangelische Darlehnsgenossenschaft Kiel
Evangelische Bücherstube Kiel


private SpenderInnen




IMPRESSUM


„Barlach in Kiel – ein ökumenisches Projekt“

ist eine Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe der

mit Unterstützung der Landeshauptstadt Kiel und der Kunsthalle zu Kiel anlässlich des 70. Todestages von Ernst Barlach.


Projektteam

Stefan Becker,
Klaus Blaschke,
Jürgen Doppelstein,
Armin Mack,
Bernhard Schwichtenberg,
Gerlind Stephani,
Leo Sunderdiek,
Peter Thurmann,
Ingrid v. Unruh,
Matthias Wünsche,
Wolfgang Zeigerer.


Verantwortlich

Jürgen Doppelstein,
Ingrid v. Unruh.


Graphikdesign

anja kühn und arendt schmolze
www.schmolzeundkuehn.de


Webdesign und Webmaster

Dr. Martin Kölling
www.DokAssist.de







Copyright by Ernst Barlach Lizenzverwaltung, Ratzeburg - letzte Änderung: 07.09.2008